Unterhaltung: Rätsel des Tages und Lyrik

Ex-Stubenhocker #159827, 22. September 2016, um 06:56

Rätsel des Tages

Mit a verleiht es Würde,
Mit e ist's frohe Bürde. -

Mit a ist's oft geschändet,
Mit e oft rasch verschwendet. -

Mit a ist's Mottenbeute,
Mit e verschwand es heute. -

© Friedrich Schaefer

  

Ex-Stubenhocker #159827, 22. September 2016, um 06:58

Des Rätsels Lösung:Talar, Taler.

Die Nummern in der Auflösung verweisen auf die jeweilige Zeilennummer im Rätselreim. 

Ex-Stubenhocker #159827, 22. September 2016, um 07:00

Der Vers (Grundbegriffe)

Alexandriner. 6-hebiger Jambus mit Zäsur nach der 3. Hebung. 
Alternierendes Versmaß. Regelmäßiger Wechsel von Hebung und Senkung im Vers. 
Anapäst. Übers Jahr, übers Jahre, wenn der Frühling... 
Auftakt. Beginn eines Verses mit einer unregelmäßigen Senkung. 
Ballade. Ursprünglich Tanzlied mit Refrain. Vereint als Erzähllied die drei Grundarten der Poesie (epische Erzählweise, dramatische Gestaltung, lyrische Formulierung). Volksballade, Götter- und Heldenballade, numinose Ballade. 
Blankvers. 5-hebiges, jambisches, ungereimtes Versmaß. Der Not gehorchend, nicht dem eignen Triebe. 
Chevy-Chase-Strophe. 4-Zeiler. Abwechselnd 4- und 3-hebige, stumpfe Verse mit Kreuzreim.4, st, a / 3, st, b / 4, st, a / 3, st, b 
Daktylus. Hab ich den Markt und die Straße doch... 
Ding-Gedicht. Poetische Darstellung eines Objekts (Kunstwerk, alltäglicher Gegenstand, Tier, Pflanze), wobei das lyrische Ich zurücktritt zu Gunsten distanziert-objektivierender Einfühlung. Objekt wird in seinem Wesen erfasst und zugleich symbolisch gedeutet. 
Distichon. Ein Hexameter und ein Pentameter. 
Endecasillabo. 5-hebiger Jambus, gereimt, ohne Zäsur. 
Enjambement. Zeilensprung. Fortführung der syntaktischen Einheit über die metrische Grenze am Vers- oder Strophen-Ende hinweg. 
Epigramm. Nichtfiktionaler Verstext mit 2-8 Versen (oft elegisches Distichon). Meist mit Überschrift, konziser Stil, sprachliche und / oder sachliche Pointe. 
Erlebnis-Lyrik. Gestaltet v.a. persönlich-subjektive (reale, irreale, traumhafte) Erlebnisse eines Autors, sei es indirekt in einer das Erlebnis verarbeitenden Dichtung oder in scheinbar unmittelbar bekennender, direkter Gefühlsaussprache. Wertkategorie sind künstlerische Objektivierung und symbolische Verdichtung. 
Freie Rhythmen. Gedichte ohne Reimbindung und strophische Ordnung, kein durchgehendes Versmaß aber Verwendung klassisch verbürgter, aber frei behandelter, Versmaße. 
Freie Verse. Gedichte ohne Reimbindung, strophische Ordnung und durchgehendes Versmaß. 
Gedanken-Lyrik. Auch Ideenlyrik. Vorwiegend reflektierende Lyrik, die im Unterschied zur Erlebnis- und Stimmungslyrik gedankliche, vielfach weltanschauliche Zusammenhänge gestaltet. In der Lyrik der Gegenwart nimmt der Anteil der Reflexion zu. 
Gelegenheits-Dichtung. Literarische Werke, die zu bestimmten öffentlichen oder privaten Anlässen verfasst wurden. 
Hexameter. 6-hebiger Vers. Beginnt meist mit betonter Silbe, die ersten 4 Versfüße sind meist Daktylen (oder Trochäen). Der 5. Versfuß ist immer ein Daktylus, der 6. ein Trochäus. Endet meist betont. 
Hymne. Aus dem liturgischen Bereich. In Neuzeit erscheint sie als reine literarische Gattung mit Bezug zu Psalmen, Preis Gottes, Helden, Tugenden. Grenzen zur Ode oft nicht ganz eindeutig. 
Jambus. Befiehl du deine Wege. 
Kadenz. Gestalt des Versendes 
Klingende Kadenz. letzte Silbe unbetont. Die trabenden Pferde. 
Knittelvers. Wichtigstes Versmaß der epischen und dramatischen Dichtung des 16. Jahrhunderts. 4-hebiger Vers (oft jambisch), Paarreime. 
Lyrisches Ich. Ich-Sprecher eines lyrischen Gedichts, der nicht mit dem Autor-Ich (= Verfasser) oder dem Ich eines Rollengedichts gleichgesetzt werden kann. Durch ästhetische Objektivierung und symbolische Verdichtung über Persönlichkeit enthoben. 
Ode. In der griechischen Antike strophische Dichtung mit Musikbegleitung. Triadische Form: Ode, Antode (Antistrophe), Epode (Abgesang). Meist als Monodie (Einzelgesang). Im Deutschen nicht formal bestimmt, sondern Art des Vortrags, pathetischer Stil, bestimmte Thematik. 
Pentameter. 6-hebiger Vers. Besteht aus 6 Daktylen. Der 1. Und 2. Versfuß können auch Trochäen sein. Die 3. Und 4. Hebung folgen unmittelbar aufeinander Þ Zäsur. 4. Und 5. Versfuß stets dreisilbig. 
Refrain. Annähernde Wortübereinstimmung von Versen in allen analogen Positionen strophischer Gedichte. 
Rhythmus. Zusammenwirken von metrischem Schema und sprachlicher Verwirklichung eines Verstextes. 
Rollen-Gedicht. Sammelbezeichnung für lyrische Gedichte, in denen der Dichter eigene oder nachempfundene Gefühle, Gedanken, Erlebnisse oder Reflexionen einer Figur, meist einem für seine Zeit kennzeichnenden Typus, in Ich-Form in den Mund legt. 
Sextine. 6-zeilige Strophe. 
Sonett. 14-Zeiler. In der Regel zwei Quartette und zwei Terzette. Meist Alexandriner mit Reimschema a / b / b / a; a / b / b / a; c / d / c; c / d / c 
Stanze. 8-Zeiler, 5-hebiger alternierender Vers in der Reimordnung a / b / a / b / a / b / c / c. 
Stumpfe. Kadenz: letzte Silbe betont. Eene meene muh. 
Terzinen. 3-zeilige Strophe, oft Blankvers mit klingender Kadenz. a / b / a; b / c / b; c / d / c; ... 
Tonbeugung. Durchbrechung des akzentuierenden Versprinzips. Widerstreit zwischen der vom metrischen Schema geforderten Akzentuierung und der natürlichen Sprachbetonung. 
Trochäus. Rückwärts, rückwärts, Don Rodrigo 
Vagantenstrophe. 4, st, a / 3, kl, b / 4, st, a / 3, kl, b 
Vers commun. 5-hebiger Jambus mit Zäsur nach der 2. Hebung 
Versfuß. Wiederkehrendes Element eines Versmaßes. Bezeichnet in der deutschen Dichtung eine spezifische Kombination betonter und unbetonter Silben 
Versmaß. Metrisches Muster, das sich einer Verszeile unterlegen lässt. Anzahl der Hebungen, welcher Versfuß, Reime. 
Volkslied-Strophe. 4-Zeiler, 3-hebige Verse, Senkungsfreiheit, Kreuzreim, wechselnde Kadenz. 
Zäsur. Metrisch oder inhaltlich geregelter Bruch. 

Typen von Reimen.

Assonanz. Teilweiser Reim, bei dem nur die Vokale mindestens ab der letzten betonten Silbe übereinstimmen. Beispiel: eichen / ausgeweidet 
Binnenreim. Endreim bei dem ein oder mehr Reimglieder im Vers-Inneren stehen. Beispiel: Als ob es tausend Stäbe gäbe 
Eingangsreim. Endreim bei dem ein oder mehr Reimglieder am Eingang der Verszeile stehen. Beispiel: Krieg... /Sieg... 
Endreim. Übereinstimmung des Phonetik wenigstens zweier Worte. Und: mindestens ab dem letzten betonten Vokal. 
Haufenreim. a / a / a / ... / a 
Kettenreim. a / b / a; b / c / b; c / d / c 
Kreuzreim. a / b / a / b 
Paarreim. a / a; b / b 
Reiner Reim. Vollständige Übereinstimmung. Beispiel: Gott - Fagott 
Schweifreim. a / a / b; c / c / b; d / d / b 
Umfassender Reim. a / b / b / a 
Unreiner Reim. Leicht geminderte Übereinstimmung. Beispiel: kälter - Wälder 
Verschränkter Reim. a / b / c; a / b / c 
Waise. Reimloser Vers im Reimgedicht. 

Ex-Stubenhocker #159827, 22. September 2016, um 07:03

All

Zum Sternenzelt schau ich zu nächtens Zeit,
in den Ozeanen bestaun ich Unendlichkeit 

Alles was ist, was war und was uns je wird
im Schnittpunkt von Raum und Zeit verirrt.
Unendlichkeit in Zeit und allen Dimensionen,
nicht wissen wo Reales und Wahres wohnen.

Alles ist hier und weg, endlos fern und nah
Der Sterne Entstehen und Vergehen ist da!
Nie erkennen, niemals das alles verstehn,
bevor wir hier ersterben und weiter geh´n!

O Mensch, was bist du nur so vermessen?
Krone der Schöpfung? Musst du vergessen!
Denn wer nur so ganz wenig wie du versteht,
niemals irgendwo über all den Dingen steht.

© Dr. Frank Trautner, 2016

Ex-Stubenhocker #159827, 22. September 2016, um 07:05

Weg

Der Weg führt nach oben,
Der Geist noch verschroben,
Der Weg ist das Ziel,
Auf dem man fiel.

Müde und zerschunden,
Oft keinen Sinn gefunden,
Lang und gewunden,
Minuten, Tage, Stunden,

Gegangen bis zum Schluß,
Zum Gipfel gehen muß.
Die Aussicht war der Lohn,
Einsamkeit ohne Thron,

Der Geist wurd frei,
Vom vielen Einerlei.

© Frank Jürgens, 2016

paperclip, 22. September 2016, um 09:11

liebe admins,
kann man diesen spinner hier irgendwie abstellen?

Ex-Stubenhocker #159827, 22. September 2016, um 10:32

^^

Ex-Stubenhocker #159827, 22. September 2016, um 11:27

Een Boot is noch buten!

Gedicht von Arno Holz

"Ahoi! Klaas Nielsen und Peter Jehann!
Kiekt nach, ob wi noch nich to Mus sind!
Ji hewt doch gesehn dem Klabautermann?
Gott Lob, dat wi wedder to Hus sind!"
Die Fischer riefen's und stiessen ans Land
und zogen die Kiele bis hoch auf den Strand,
denn dumpf an rollten die Fluten;
Han Jochen aber rechnete nach
und schüttelte finster sein Haupt und sprach:
"Een Boot is noch buten!"

Und ernster keuchte die braune Schaar
dem Dorf zu über die Dünen,
schon grüssten von fern mit zerwehtem Haar
die Frau'n an den Gräbern der Hünen.
Und "Korl!" hiess es und "Leiw Marie!"
"'t is doch man schön, dat ji wedder hie!"
Dumpf an rollten die Fluten -
"Un Hinrich, min Hinrich? Wo is denn dee?!"
Und Jochen wies in die brüllende See:
"Een Boot is noch buten!"

Am Ufer dräute der Möwenstein,
drauf stand ein verrufnes Gemäuer,
dort schleppten sie Werg und Strandholz hinein
und gossen Oel in das Feuer.
Das leuchtete weit in die Nacht hinaus
Und sollte rufen: O komm nach Haus!
Dumpf an rollen die Fluten -
Hier steht Dein Weib in Nacht und Wind
und jammert laut auf und küsst Dein Kind:
"Een Boot is noch buten!"

Doch die Nacht verrann und die See ward still
und die Sonne schien in die Flammen,
da schluchzte die Aermste: "As Gott will!"
und bewusstlos brach sie zusammen!
Sie trugen sie heim auf schmalem Brett,
dort liegt sie nun fiebernd im Krankenbett
und draussen plätschern die Fluten;
dort spielt ihr Kind, ihr "lütting Jehann",
und lallt wie träumend dann und wann:
"Een Boot is noch buten!"

Ex-Stubenhocker #159827, 22. September 2016, um 11:35

De Afscheed un togliek een Lebensloop

Von Friedrich Schnoor

(Altländer-Finkenwärder Mundart)

Ick bün nu enundsöbentig Joahr
Un mi verlangt noh Rauh,
Noch kerngesund, de Kubb is kloar:
Doch bün ick mäud, witt sünd de Hoar,
Dat Sicht is oarig flau.

Up Duurn un Steggels bün ick gohn,
Min Glück harr keen Bestand.
Froo Sorg hedd an min Weg all stohn,
De Unverstand mi Wunnen slohn
In`t eegen Heemotland.

Doch butenlanns, doar wohnt min Frünn,
De kinnt un würdigt mi;
De sünd min Trost, min Lebenssünn,
De ihrt un acht mi alle Stünn,
Un de, de stoht mi bei.

Den`n rugen Steen all mannig Joahr
Hebb ick behaut mit Fliet.
Rechtwinklig obers ganz un goar
Kreeg ick em nee, dat wür to swoar.
Noch Nims bröch dat so wiet.

Min Nebenminschen hebb ick tracht
To deenen jümmers to;
Wür blos up Jüm eh`r wol bedacht,
Min eegen hebb ick goarnee acht,
Blehf mi un blehf Jüm troo.

All, de man jichens weh ick dohn,
Wölt mi, ick bed, verzeihn;
Un de sich hebbt an mi vergohn
Mit Undank, Bosheit, blinnen Wohn,
O, dat mag all verweihn.

Nu bün ick old un fünn den Gott,
Den`n ick hebb söch so lang;
He ward behäuden mi vör Nood,
Mi gnädig ween, wenn kummt de Dod,
Vör den`n ick bün nee bank.

Ick bün nu enundsöbentig Joahr,
Mok to de Dör ganz sacht,
Un röpt He mi, ick bün all kloar.
Man blos de Afscheed ward wol swoar,
---------------------- Good Nacht!

Finkwarder, den 5. Februar 1915
J.C.Wriede

Herrn Schnoor, zu meinem Gedächniß 

Ex-Stubenhocker #159827, 22. September 2016, um 11:37

Der Abschied und zugleich ein Lebenslauf

Ich bin nun einundsiebzig Jahr
Und mir verlangt nach Ruh,
Noch kerngesund, der Kopf ist klar;
Doch bin ich müd` weiß sind die Haar,
Die Sicht ist ordentlich flau.

Auf Dornen und Zweigen bin ich gegangen
Mein Glück hatte keinen Bestand.
Frau Sorg` hat an meinem Weg schon gestanden,
Der Unverstand mir Wunden geschlagen
Im eigenen Heimatland.

Doch außerhalb, da wohnen meine Freunde
Die kennen und würdigen mich;
Die sind mein Trost, meine Lebenssonne,
Die ehren und achten mich alle Stund`,
Und die, die stehen mir bei.

Den rauhen Stein schon viele Jahr`
Hab ich behauen mit Fleiß.
Rechtwinklig aber ganz und gar
Kriegt ich ihn nicht, das war zu schwer.
Noch niemand brachte das soweit.

Meinen Mitmenschen hab` ich versucht
Zu dienen immer zu;
War bloß auf Ihrer Wohl bedacht,
Mein eigenes hab ich nicht beacht`,
Blieb mir und Ihnen treu.

All denen ich jemals wehgetan,
Wollen mir, ich bitt, verzeih`n;
Und die sich haben an mir vergangen
Mir Undank, Bosheit blinden Wahn,
Oh, das mag alles verwehn.

Nun bin ich alt und fand den Gott,
Den ich solang` gesucht;
Er wird behüten mich vor Not,
Mir gnädig sein, wenn kommt der Tod,
Vor dem ich bin nicht bang.

Ich bin nun einundsiebzig Jahr,
Mach zu die Tür ganz sacht,
Und ruft er mich, ich bin schon klar,
Man bloß der Abschied wird wohl schwer,
Gute Nacht!

(Original Abschrift,und Übersetzung
Freddy Schnoor, 2015)

von „De Afscheed un togliek een Lebensloop“
Finkwarder, den 5. Februar 1915

J.C.Wriede

Friedrich Schnoor, 1915

Ex-Stubenhocker #163552, 22. September 2016, um 11:48

ist 'ne sicherung durchgebrannt?

Ex-Stubenhocker #159827, 22. September 2016, um 11:49

Knut statt Ruth

Ich war bei einem Mann,
der fasste gern mich an.
Doch heut, obwohl ich nackig war,
und ausgesprochen knackig war,
ging er nicht an mich ran.

Ich fragte: Du Idiot,
bist du vielleicht schon tot?
Siehst du nicht, dass ich nackig bin
und frisch und jung und knackig bin?
Bist du so tot wie Brot?

Er saß auf seinem Stuhl
und sagte äußerst cool:
Ich mag‘s, wenn Männer nackig sind
und muskulös und knackig sind.
Ich bin seit neuestem schwul.

Da keifte ich: Oh nein.
Das kann doch gar nicht sein.
Erst gestern, als ich nackiglich
durch deinen Garten knackig schlich,
erhob sich dein Gebein.

Er aber, voller Wut,
schrie: Das war grässlich, Ruth!
Denn gestern, als du nackig warst
und – zugegeben – knackig warst,
hielt ich dich glatt für Knut!

© Andreas Kley, 2014

Ex-Stubenhocker #159827, 23. September 2016, um 06:56

Rätsel des Tages

Am Klavier im Mondenschein
Sitzt der Meister ganz allein,
Und er schafft ein Tongebilde,
Heil'ger Schönheit voll und Milde, -
Und er hat es dem geweiht,
Der vor langer, langer Zeit
Über diese Erde schritt,
Liebte, dichtete und litt. -
Wem er's weihte, zeigt dir klar
Das, was seine Schöpfung war. -

© Friedrich Schaefer

Ex-Stubenhocker #159827, 23. September 2016, um 06:57

Des Rätsels Lösung:Andante, an Dante.

Die Nummern in der Auflösung verweisen auf die jeweilige Zeilennummer im Rätselreim.

Ex-Stubenhocker #159827, 23. September 2016, um 06:59

Herbstabend

von © Uwe Nolte  

Fern der sternenhellen Weite
Unbeschwerter Sommernächte,
Ihrer Sehnsucht, ihrer Freude,
Auf Geheiß geheimer Mächte,
Die das Dämmerlicht gebar
Wurde alt und grau das Jahr.

Hagelvolle Wolken ziehen
Durch des Abendhimmels Hallen,
Südwärts Vogelscharen fliehen,
Lautlos welke Blätter fallen,
Die des Windes Urgewalt
Spielerisch zerstreut im Wald.

Schattenhafte Nebel steigen,
Die aus feuchtem Boden dringen,
Hüllen diesen Tag in Schweigen
Und am Horizont, mit Schwingen,
Blutbetaut, zur Nacht gereift,
Baldurs Traum die Erde streift.

Ex-Stubenhocker #159827, 23. September 2016, um 07:01

Schulgang

Oh, wie sehnt er sich nach seinem Bette,
Nach der süßen, kaum verlaßnen Wärme!
Ausgestoßen unter Menschenschwärme
Läuft er, rennt er durch die Gassenkette.

Uhren schlagen grausam um die Wette,
Stürzend sich auf ihn mit kaltem Lärme,
Und es brennen Magen und Gedärme.
Ach, daß er nur nicht verschlafen hätte!

Wie er springt! Er keucht und weint beim Laufen,
Bis im Schulhaus er, im Gange steht,
Und im Zimmer sieht das staubige Raufen.

Er faßt langsam: Es ist nicht zu spät...
Und er läßt sich nieder, zu verschnaufen.
Doch sein erster Laut ist ein Gebet.

Franz Werfel

Ex-Stubenhocker #159827, 23. September 2016, um 07:05

Die Macht des Geistes

Wohin mit der Gedanken Macht? 
Sollt man sie kanalisieren? 
Ihren freien Lauf riskieren?
Verschenken an Unsin nur? 
Beschränkt auf Zeit und Uhr? 
Auf Lust und Laster? 
Auf Macht und Zaster?
Soll man sie vermitteln? 
Soll man sie vermischen, 
Mit anderen Geistern, 
Und so das Leben meistern?
Auf hohem Niveau? 
Macht das die Herzen froh? 
Oder in der Normalität? 
Die jedem zur Verfügung steht.
Wohin mit der Gedanken Macht? 
Die manch Leid gebracht. 
Zum Leben hin, 
Ist das ihr Sinn?
Verrückt oder klar, 
Sie ändern sich, 
Nichs bleibt wie es war. 
Die Gedanken eines guten Lebens, 
Sind nicht vergebens.
Der Zerstörung zu gewandt, 
Führt sie des Mörders Hand. 
Wohin mit der Gedanken Macht? 
Die über unser Leben wacht.

© Frank Jürgens, 2016

Ex-Stubenhocker #159827, 23. September 2016, um 08:19

Die Schönheit vor dem Spiegel

Sieh auf die Liebliche, wie sie vor ihrem Spiegel 
Das stolze Haupt mit frischen Blumen schmückt, 
Mit ihren Locken spielt - und wie im treuen Spiegel 
Der Stolz, der schlaue Blick, das Lächeln ausgedrückt!

Aus dem Russischen von
Friedrich Martin Bodenstedt

Alexander Puschkin

Ex-Stubenhocker #159827, 23. September 2016, um 15:53

Gesichter

Viele Gesichter trug ich, viele Gesichter
waren zu tragen mir auferlegt.
Wenn ich lachte, war oft die Haut nur
vom Lachen bewegt.

Irrsinniges Weinen sprang
mir um die Lippen -
aber ich habe gelacht.
Habe mein Gesicht zum Lachen gebracht.

In den Bergen habe ich mein Gesicht versteckt.
Wenn es Frühling wird, singt es im Wald.
Die Stadt aber hat mich mit Häusern bedeckt
und mit Asphalt.

In dem Musikcafe einer kleinen Stadt,
die fünfundzwanzigtausend Einwohner hat,
sitzt ein Mädchen, roten Mohn an die Wangen geschminkt,
sie hat jedem Reisenden, der kam,
mit den Augen zugewinkt.
Sie war ganz in Schwarz gekleidet,
trug einen weißen Spitzenkragen.
Ihr Gesicht war Widerschein
der vielen Gesichter, die auf ihr lagen.

Ich glaubte damals, die Huren seien gefallene Engel,
von Gott in die Gruft der Städte versenkt.
Ihre Gesichter, wenn sie auch stumm sind, schreien.
Sie sind mit unsichtbaren Schleiern behängt.

Vieler Menschen Gesichter
haben meinem Gesicht sich eingedrückt.
Mein Gesicht zersprang mir
Stück für Stück.

Oft sah ich es nachts in den Straßen an mir vorübertreiben
und vor erleuchteten Schaufenstern stehen bleiben:

"Du, mein Gesicht!"
Aber es erkannte mich nicht.

Meine Augen trugen sie mir davon,
sie haben auch meinen Mund mitgenommen -
lange schon,
bevor ich in diese Stadt gekommen,

haben sie in der Schule mir
in das Gesicht geschlagen,
und die vielen Toten, denen ich in das Gesicht geschaut,
haben ihr Gesicht in mein Gesicht hinein getragen.

Johannes R. Becher

  
  
  

Ex-Stubenhocker #159827, 23. September 2016, um 15:56

Liebesgedicht für einen Engel

Weit weg bist Du von mir,
wir sind uns nur im Herzen nah,
ich spüre, Du bist immer da
und danke Gott dafür,
dass er Dich mir als Engel gab,
weißt Du, dass ich Dich lieber hab‘
als alles andere auf der Welt.

© Anna Haneken, 2014

zigarre, 23. September 2016, um 17:41

boah is das spannend

Ex-Stubenhocker #159827, 23. September 2016, um 18:57

Geschätzter Lyriker, in der Trinkhalle ist natürlich das Niveau anspruchsvoller.
Es ist bedauerlich diesen Ansprüchen nicht gerecht werden zu können,...
Ganz sicher ist in den anderen Threads mehr nach Deinen Bedürfnissen zu finden.

Weitere Antworten sind nicht zu erhoffen,
weiterhin alles erdenklich Gute, und immer eine Handbreit Bier in der Dose.

zigarre, 23. September 2016, um 19:00

vielen dank, ABER ICH MAG KEIN DOSENBIER

Ex-Stubenhocker #159827, 23. September 2016, um 20:45
zuletzt bearbeitet am 23. September 2016, um 20:46

Die Grazie

Anmutig schwebt sie durch den Raum,
Leichtigkeit und Charme, wie aus einem Traum.

Ein Lächeln im Gesicht,
wenn sie mit mir spricht.

Ein Leuchten in ihren Augen und dem Haar,
wie in einem Traum, ...wunderbar!

Die Zeit verging, der Glamour auch,
was bleibt ist Schall und Rauch.

Schön war dieser Traum ,
kommt er zurück...,ich werde schaun.

Solchem Glück,
gedenk ich gern zurück.

Ex-Stubenhocker #159827, 23. September 2016, um 20:55
zuletzt bearbeitet am 23. September 2016, um 21:07

LIEBESGEDICHT

Ich liebe Dich auf stille Weise,
zuweilen schwer und tiefbetrübt.
Und dreh ganz innen mich im Kreise,
und bin doch wie der Wind, der leise
die Blätter junger Birken liebt.

Ich liebe Dich durch tiefes Sinnen,
zuweilen dunkelschwer und müd;
ich tauch' ins abgelebte Innen
und bin doch lauschendes Beginnen
in jeder Blume, die erblüht.

Ich liebe Dich im tiefen Lauschen,
zuweilen angstallein und schwer;
ich gebe mich dem stillen Tauschen
und bin doch so wie Wellenrauschen
in einer Frühlingsnacht am Meer.

Ich liebe Dich im stillen Wirken,
zuweilen ungerecht und klein.
Ich will in dunkelnden Bezirken
Dir die schönste aller Birken,
der sanfteste der Winde sein.

Ich liebe Dich im sanften Werden,
zuweilen dumpf und abgelebt;
will deinen leisesten Gebärden
wie dem kleinsten Ding auf Erden,
der Himmel sein, der es umschwebt.

Ich liebe Dich, wie Dichter lieben,
wo Wind und Wald und Blumen sind:
Von der Sehnsucht angetrieben
all das, was sie je geschrieben
neu zu lesen wie ein Kind.

© Tobias Deger, 2009

  
  
  

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