Unterhaltung: Corona

mmaker, 27. März 2020, um 20:47

eggii,
viele interessante Punkte, die Du da eben mal so hinwirfst. Ich gebe mal ein paar Sichtweisen von mir zurück:

1. Vermarktung der Krise
Hier kann ich Dir für Deutschland nicht folgen. Im Gegensatz zu zum Beispiel UK und USA läuft hier alles zur Zeit recht rational ab. Ich finde es in solch einer Situation auch schön zu sehen, dass im Moment eine Aussage des RKI mehr Gewicht hat als die eines Politikers. Die Populisten sind angenehm leise geworden. Warum? Weil ein Großteil des Volkes im Moment keinen Bock auf Geschwätz hat (gibt Ausnahmen, aber der Umfang ist gering).

2. Wahrnehmung Grippe, etc
Unsere Hirne sind nicht gut darin, das Ausmass von Bedrohungen treffend zu beurteilen (genausowenig wie die Qualität einer Zufallsverteilung beim Skat-Kartengeben). Ausserdem: "Normale" Bedrohungen, die sich nicht dramatisch ändern (Grippetote, Verkehrstote, etc), sind lediglich Statistiken, an die man sich gewöhnt hat. Neue Bedrohungen machen Angst, da die Auswirkungen auf das eigene Leben nicht bekannt, verstanden und erlernt sind.

3. Wir werden bessere Menschen
Was Du da hast ist keine Befürchtung, sondern eine fast sichere Vorhersage, wenn Du mich fragst. Das kann man konsistent in der Weltgeschichte sehen. Ich nehm mal den zweiten Weltkrieg. Als der beendet war, haben viele Leute (und nicht nur Dumme, sondern auch namhafte Philosophen) gedacht und geschrieben, nach dieser humanen Katastrophe könne es nie wieder Krieg geben. Das Ergebnis kennen wir. Zuerst haben sich alle ganz doll lieb, dann wird schnell vergessen, weil anderes wichtiger ist und am Ende gilt man als Störenfried, wenn man daran erinnert.

All das ist menschlich. Wir sind nicht so toll, wie wir manchmal gern wären. Vielleicht können/müssen wir uns langfristig "bessern" (was immer das genau heisst). Vielleicht sind wir sogar schon besser, als wir mal waren. Dass das aber nicht in wenigen Generationen und nur wegen äußerer Bedrohungen passiert, gehört ins Land der Einhörner.

JohnJohn, 27. März 2020, um 21:51

Wer sind denn eigentlich "wir"? Ein namenloses, anonymes Kollektiv oder eine Ansammlung von individuellen, individualistischen Individuen?

Oder meinen "wir" dann, wenn wir pessimistische und fatalistische Gedanken äußern, in Wahrheit genau alle anderen?

Ich jedenfalls glaube daran, dass irgendwann irgendwo bei irgendjemand, der genau der richtige ist, ein guter Gedanke auf einen fruchtbaren Boden fällt, und dieser irgendjemand dann etwas mit dem Gedanken anfangen kann.

Wenn ich Unrecht habe, werde ich es nicht mehr merken.

DerErsteSpieler, 27. März 2020, um 21:58
Dieser Eintrag wurde entfernt.

mmaker, 27. März 2020, um 23:03

hagenstein,

auf welchem Gebiet ist das jemals anders gewesen? Es ist sogar der Kern der wissenschaftlichen Methode.

Grundlagen der menschlichen Natur zu ändern ist aber mit Sicherheit schwieriger als einen Impfstoff gegen ein Virus zu finden.

Es würde sich dann auch die moralische Frage stellen, wer "besser" definiert und ob man überhaupt das Recht dazu hat. Die entsprechenden Experimente endeten bislang immer unmenschlich.

mmaker, 27. März 2020, um 23:19

murckel,

nö. "Die Mehrheit hat immer Recht" ist ein Demokratieverständnis, das genauso weit verbreitet wie falsch ist.

Deshalb bist Du noch lange nicht bescheuert und kommst mir im Übrigen auch nicht so vor.

Und ja, Deine und meine demokratischen und freiheitlichen Rechte sind gerade mal eben stark eingeschränkt bis (Puncto Demonstration) aufgehoben.

Als Demokrat ist es im Moment absolut wichtig, dass diese Einschränkungen immer ein möglichst enges zeitliches Limit haben. Wir müssen verhindern, dass durch die Hintertür der Krise der Überwachungsstaat nicht langfristig ein weiteres Stück Realität wird. Das sehe ich bei den Regelungen gerade weitestgehend aber nicht vollständig.

Was ich gerade noch nicht verstehe: Welche Regelung(en) genau, die gerade gelten, möchtest Du genau wie verändert haben? Ganz konkret.

mmaker, 28. März 2020, um 00:11
zuletzt bearbeitet am 28. März 2020, um 00:31

murckel,

im Detail sehe ich da Dinge, die ich für nicht machbar halte. Ausserdem einige Dinge, die ich für unüberlegt halte (insbesondere Militär für Polizeiaufgaben - hierfür sind Soldaten nicht ausgebildet und ich würde mir ernsthafte Sorgen wegen Konflikten machen).

Ich will hier aber nicht über Details meckern (es kann schliesslich niemand von Dir verlangen, dass Du den Gesamtplan mal eben so aus der Tasche zauberst). Ich verstehe nun, worauf Du in etwa herauswillst. Und ich kann Dir auch sagen: das meiste davon würde mich auch eher beruhigen als beunruhigen,

Die Frage ist aber: was passiert nach den 4 Wochen, wenn (und davon gehen wir wohl mal aus) der Rest der Welt nicht exakt das gleiche macht? Die Freude wäre kurz; es sei denn, Deutschland soll für immer eine Insel sein...

Ich behaupte, diese Krise wird erst enden, wenn entweder

a) die Durchseuchung der Einwohner die Neuansteckungen automatisch reduziert (die berühmten 60%, mit etwas Glück legt sich das Virus auch schon früher selbst lahm)

b) wirksame Medikamente entwickelt und eingeführt sind

c) ein Impfstoff entwickelt und eingeführt ist

je nachdem, was als erstes passiert.

Wenn man das glaubt, sind sowohl die gegenwärtigen Regelungen als auch Deine Wünsche keine Lösung.

Es geht lediglich darum, zu keinem Zeitpunkt zuviele Schwererkrankte auf einmal zu haben, egal, ob a), b) oder c) als erstes eintritt.

Damit reduziert sich das Ganze auf die Frage, ob bereits die gegenwärtigen Massnahmen für dieses (kleine aber einzig vielleicht erreichbare) Ziel ausreichen oder ob dafür das Mehr an Härte notwendig ist, das Du vorschlägst.

DAS MÖCHTE ICH NICHT ENTSCHEIDEN MÜSSEN.

Aber: Von dem Gedanken, dass irgendetwas in 4 (meinetwegen auch 8) Wochen zu erledigen ist, solltest Du Dich meiner Meinung nach verabschieden.

ps: Es könnte auch noch

d) Ein Wunder geschieht

passieren. Darauf scheinen sich leider einige Staatsoberhäupter zu verlassen.

mmaker, 28. März 2020, um 00:14

murckel,
ich hab garnicht gesehen (ich halte mich an sich von diesem Fred fer, hab aber gerade einen Rückfall erlitten), dass Du mal was anderes befürwortet hast. Aber das Recht (eigentlich ja sogar die Pflicht) Deine Meinung zu ändern, wenn Du sie nicht mehr vertreten kannst, ist das Normalste der Welt.

Papillon1, 28. März 2020, um 00:17

Rückfälle nehmen oftmals einen tragischen Ausgang.

mmaker, 28. März 2020, um 00:22

Mac_Kilroy,
wie wahr :)

Ex-Stubenhocker #251555, 28. März 2020, um 03:34
Dieser Eintrag wurde entfernt.

Kartenvernichter, 28. März 2020, um 08:12

Ich denke, mmaker hat alles gesagt, was zur aktuellen Situation rund um Corona zu sagen ist. Genauso ist es. Mit einer vierwöchigen Quarantäne ist das Virus nicht zu stoppen. Irgendwann wird einer der aufgezählten Punkte eintreten. Aber das wird wohl eher noch Monate dauern. Die Kunst wird sein, einerseits unser Gesundheitssystem nicht zu überlasten und wir Zustände wie in Italien oder Spanien bekommen und andererseits den Spagat zu schaffen, unsere Wirtschaft nicht völlig zu Grunde zu richten. Also wird es darauf ankommen, viel zu testen, zu sortieren. Und nicht nur auf Corona, sondern auch auf die Immunität dagegen. Wer hatte es, ohne es wirklich gemerkt zu haben.

JohnJohn, 28. März 2020, um 09:18
zuletzt bearbeitet am 28. März 2020, um 09:19

"Als Demokrat ist es im Moment absolut wichtig, dass diese Einschränkungen immer ein möglichst enges zeitliches Limit haben. Wir müssen verhindern, dass durch die Hintertür der Krise der Überwachungsstaat nicht langfristig ein weiteres Stück Realität wird. Das sehe ich bei den Regelungen gerade weitestgehend aber nicht vollständig." Originalzitat mmaker" 👍

"Ich warne vor frühzeitigen Spekulationen über die Beendigung von Einschränkungen und Verboten."
Sinngemäße Wiedergabe Markus Söder 👎
Horst, warum hast du uns verlassen?

Ex-Stubenhocker #251555, 28. März 2020, um 09:52
Dieser Eintrag wurde entfernt.

JohnJohn, 28. März 2020, um 10:09
zuletzt bearbeitet am 28. März 2020, um 10:10

Danke, Husumer, mehr kann ich mit folgenden Zeilen von Dehmel anfangen (abgesehen von den letzten beiden natürlich):
Selbstzucht
Mensch, du sollst dich selbst erziehen.
Und das wird dir mancher deuten:
Mensch, du musst dir selbst entfliehen.
Hüte dich vor diesen Leuten!
Rechne ab mit den Gewalten in dir, um dich.
Sie ergeben zweierlei:
wirst Du das Leben,wird das Leben dich gestalten? Mancher hat sich selbst erzogen;
hat er auch ein Selbst gezüchtet?
Noch hat Keiner Gott erflogen,
der vor Gottes Teufeln flüchtet.

Ex-Stubenhocker #251555, 28. März 2020, um 10:41
Dieser Eintrag wurde entfernt.

JohnJohn, 28. März 2020, um 10:55
zuletzt bearbeitet am 28. März 2020, um 13:39

Murckel, ich fühle mich nicht kompetent genug, um deine Ausführungen über eine mögliche Eindämmung des Virus hinsichtlich ihrer Stimmigkeit zu beurteilen. Wenn du selbst das von irgendwo her hast, müsste man ja nun diese Quelle wiederum untersuchen und so halte ich es für vergebliche Liebesmüh, sich bezüglich der medizinischen Aspekte des Themas in das Feld der Spekulationen zu begeben. Womit du aber absolut Recht hast, mMn, ist der soziale Aspekt der Maßnahmen.

Also kurz gesagt, die Gefahren, die in "Ballungsgebieten der Ballungsgebiete" erwachsen können, bzw. werden, sind groß. Wenn hier unsere Politiker keinen Weitblick beweisen und glauben, NUR durch Androhungen ihrer Verantwortung Genüge zu tun, entsteht in wenigen Wochen ein sozialer Sprengstoff.

Noch nie habe ich so sehr gewünscht, Unrecht zu haben.

Pitti_Platsch, 28. März 2020, um 15:47

...ich wünsche allen ein, soweit möglich, sorgenfreies Wochenend, ☀️ und liebe Menschen 🍀 🌈

Ex-Stubenhocker #214662, 28. März 2020, um 16:34

Dieses Virus wird noch Tausende Opfer kosten,aber auch das werden wir überstehen. Möglicherweise kommt dann erstmal nichts weiter aus dem Osten,nur der ''normale '' Grippevirus,der auch Tausende Opfer kostet jährlich,aber der nicht so im Fokus ist. Irgendwann kommt dann wieder ein Virus,gegen den man erstmal nichts tun kann...dann wird sich zeigen,ob Mensch was gelernt hat. Ich vermute,er hat was gelernt,aber ob das auch reicht dann? Nach einen gewissen innehalten wird es wieder nur ein Motto geben: höher,schneller,mehr! Dann zählen wieder nur die Dollarzeichen in den Augen der Mächtigen der Welt. Zumindest vermute ich das so.
Lasse mich aber gern vom Gegenteil überzeugen.

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